Wer Mitte der neunziger Jahre geboren wurde, wuchs mit Toy Story und The Matrix auf, spielte Videospiele, die Jurassic Park nach primitivster Technik aussehen ließen und wurde dauerbeschallt von Musik, die ohne Digitaltechnik nicht produzierbar wäre. Eine Trilogie wie Star Wars 4-6 anzuschauen scheint mit diesem Hintergrund angesichts der steinzeitlich anmutenden Produktionsmethoden unvorstellbar: Zu unglaubwürdig wirken die Miniaturen, zu “billig” sehen die Sets aus. Jimi Hendrix klingt nicht modern genug und Space Invaders… aber lassen wir das.
Inhalte verschwinden hinter Formen — Ist das auf Dauer erstrebenswert?
Nein, früher war keineswegs alles besser. Offensichtlich hat die Welt sich gewandelt. Besonders im Bereich Film und Musik stehen heute jedem Kreativen viele Mittel und Werkzeuge zur Verfügung, die man sich vor dreißig Jahren nichtmal hätte träumen lassen. Kostengünstige, leistungsstarke Kompaktstudios, Geräte von der Größe eines Buchs, bieten mehr Produktionsmöglichkeiten als den Beatles für das vielzitierte Album Sgt. Peppers… zur Verfügung standen. Hochwertige HD-Camcorder und umfangreiche Software ermöglichen die Filmproduktion im Kinderzimmer und wer mag, der benutzt Blender als kostenfreie Software zur Produktion von 3D-Animationsfilmen oder Spezialeffekten.
Verlockend ist da die Spielerei, die technische Ausschweifung: Hier noch ein Effekt, dort noch ein Bisschen Politur und da noch ein Bisschen nachbessern. Oder vielleicht doch nochmal anders arrangieren? Eine andere Schnittfolge könnte doch auch gut wirken?! Nicht nur droht hier schnell die digitale Paralyse einzusetzen, sondern der Fokus verlagert sich vermehrt weg vom großen Ganzen und hin zu exzessiver Arbeit am Detail.
Der Blick für das Gesamtwerk geht verloren, entsprechend scheint sein Stellenwert zu sinken. Spätestens beim Vergleich zwischen den neuen und den alten Star Wars Filmen wird das offensichtlich. Dies spiegelt sich auch in der Berichterstattung wider; so ist oft nur noch zu lesen von “druckvollem Sound”, “brilliantem Bild” und “sensationellen Effekten”. Produktionen, die von vornherein nicht auf diese Eigenschaften abzielen, werden immer schneller als Kunst für Randgruppen zur Seite gedrängt. Eine solche Verlagerung lässt sich anhand der letzten 40 Jahre Film- und Musikgeschichte durchaus feststellen.
Es liegt gewiss auch an den veränderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten, dass das vergangene Jahrzehnt kaum neue Rockbands vom Kaliber AC/DC oder Van Halen hevorgebracht hat. Vielleicht ist die Zeit der großen Super-Rockbands vorbei. Dennoch schadet es nicht, sich die Basis anzuschauen, auf der so lang andauernde Erfolge, so universell anerkannte, kulturell einflussreiche Institutionen wie Led Zeppelin, 2001, Elvis oder Charlie Chaplin aufbauen. Niemand stellt diese in Frage wegen mangelhafter Aufnahmetechnik, rauschenden Tonspuren oder mangelhaft umgesetzter Spezialeffekte. Großartige Künstler haben großartige Kunstwerke geschaffen, die technisch nach heutigen Maßstäben keinem Vergleich und keiner Kritik standhalten würden. Und doch haben sie sich durchgesetzt, haben Generationen begeistert und inspiriert.
Liegt das vielleicht daran, dass diese Künstler sich weniger Gedanken um die dürftige Technik gemacht haben, als um ihr eigentliches Werk? Eine Garagenband hatte vor dreißig Jahren nicht die Wahl zwischen 8, 16 oder 32 Spuren zur Produktion ihres Demos. Der Stand der Technik wurde nicht angezweifelt und die Gegebenheiten akzeptiert. Mir scheint, heute würde so viel Wert auf perfekte Produktionsbedingungen gelegt, dass dabei der eigentliche Inhalt zu wenig Aufmerksamkeit erhält und dadurch an Qualität einbüßt.
Die Bildqualität des Films siegt über die Geschichte, die Tonqualität über den eigentlichen Song. Inhalte verschwinden hinter Formen. Vielleicht ist dies nun Teil der Kultur. Vielleicht zählen Ideen nicht mehr und weichen den Medien. “Das Medium macht den Inhalt” wurde schon Marshall McLuhan zitiert. Ist das auf Dauer erstrebenswert?
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