Konstruktion einer großartigen Aufnahme

Wie erschafft man einen Song, den Menschen sich gerne anhören? Was ist wichtig, damit Köpfe nicken und Füße wippen und sich ein freudiger Ausdruck auf die Gesichter der Zuhörer legt? Sind es die Geräte in einem renommierten Tonstudio oder der dortige Techniker? Braucht man besonders teure Instrumente? Oder benötigt man großartige Fähigkeiten auf seinem Instrument?

Und wenn deine Aufnahme mal wieder einfach nicht gut klingt, solltest du da nicht eine bessere Gitarre kaufen oder noch ein Effektgerät oder hat dein Lehrer Recht wenn er sagt, du müsstest mehr üben und alles würde gut?

Tatsächlich spielen all diese Bausteine eine Rolle beim Erschaffen eines fantastischen Songs. Allerdings sollte man sie nicht als wesentliche Hürden betrachten, denn das eigentliche Fundament eines großartigen Songs ist der Song selbst, die Komposition (und der Text).

Die teuerste Technik, die edelste Gitarre und der beste Gitarrist bringen nichts Schönes zustande, wenn die Komposition nichts taugt. Die Konstruktion eines goßartigen Songs kann man vergleichen mit dem Bau einer Pyramide: Die Ebenen bauen aufeinander auf und den größten Bereich deckt das Fundament ab. Ohne das Fundament bricht alles zusammen.

Das Fundament ist die Komposition. Sie stellt bereits über die Hälfte des Songs dar. Ich würde sagen: Mindestens 80 Prozent. Eine fantastische Komposition gespielt von einem mäßigen Musiker bleibt ein großatiger Song, der nicht ganz optimal klingt.

Das ist fantastisch. Selbst ein Musiker mit mäßigen Fähigkeiten am Instrument kann eine grandiose Aufnahme in den Kasten bringen. Auch, wenn Portemonnaie und Bankkonto leer sind.

Taugt die Komposition hingegen nichts, wird bei der Aufnahme auch mit völlig hinreichender Technik einfach etwas nicht gut klingen. Du kannst jahrelang üben und teure Geräte anschaffen: Wenn du keine guten Songs schreibst, wird es nie gut klingen.

Auf dem Fundament aus Komposition und Text liegt das Arrangement. Das ist eine dünne Schicht in der du entscheidest welches Instrument wann welchen Part spielt. Und wann wo Stille herrscht.

Die nächste Ebene ist die Performance. Die künstlerische Darbietung. Jenes Element, welches viele Menschen leider elitär verwenden und damit solche Musiker ausschließen wollen, die möglicherweise nicht die Extraportion natürlicher Begabung haben oder schlicht kein Interesse an virtuosem Instrumentalistentum. Oder jene, die zu faul sind.

Der Preis deines Mikrofon-Vorverstärkers ist ohne Bedeutung, wenn die Person mit dem Instrument in der Hand ein Stümper ist. Es wird niemals besser klingen, wenn du noch ein paar Tausend Euro auf das Problem wirfst. Behalte aber im Kopf: Das ist Nebensache. Man muss kein Instrumentalgenie sein, um großartige Musik zu machen. Schau nur in die Musikgeschichte.

Ein guter Instrumentalist kann auch einem schlechten Instrument liebliche Töne entlocken. Aber wenn er ehrlich ist, wird er zugeben: Mit einem guten Instrument klingt es besser. Wenn in deiner Aufnahmekette noch fragwürdige Lücken bestehen lass mich dir versichern: Besser angelegt als in einem teuren Mikrofon ist dein Geld in einem richtig guten Instrument. Der Laie, der vor dem Radio sitzt und die Musik hört, wird davon allerdings schon nichts mehr mitbekommen. Warum dieser Baustein trotzdem nicht überflüssig ist, erläutere ich weiter unten.

Danach empfehle ich, dein Ohr dem Aufnahmeraum zu widmen. Zu brauchst dir noch immer keine Gedanken um Mikrofone zu machen, solange das, was sie aufnehmen sollen, nicht gut klingt. Die Schallquelle ist eine Summe aus Musiker, Instrument und Raum. Der Schall dringt in den Raum und wird reflektiert, verzerrt und gebogen. Das beeinflusst den Klang. Es ist Teil des Klangs. Ein gut klingender Raum wird unweigerlich deinen Klang bereichern. Ein schlechter tut das Gegenteil.

Ganz gleich, wie gut dein Mikrofon ist: Solche Veränderungen kann es nicht einfach herausfiltern. Es gibt zum Glück einfache und günstige Möglichkeiten zum Beheben solcher Probleme des Aufnahmeraums. Und wenn ich schreibe »günstig«, dann meine ich: Wirklich wenig Geld. Derweil solltest du deine Erwartungen im Zaum halten: Es ist völlig in Ordnung, wenn dein Aufnahmeraum nicht perfekt klingt – solange dir das bewusst ist und du später keinen anderen Klang erwartest. Arbeite mit dem, was du hast und was du einfach erreichen kannst.

Wenn du eine tolle Komposition hast und das Arrangement durchdacht ist und du ordentlich geübt hast und den Song sauber und, schreiben wir es aus: schön spielen kannst und du deine Aufnahmeumgebung klanglich optimiert hast; wenn also deine Klangquelle so gut ist, wie es dir möglich ist, dann kannst du einen ersten Blick auf dein Mikrofon werfen. Und dann darauf, wo es steht und wie es ausgerichtet ist.

Es gibt ohne Frage Mikrofone, die nicht schlecht sind und solche, die sehr gut sind. Sie alle, ganz gleich, ob sie 100 oder 2000 Euro kosten, haben eines gemeinsam: Wenn du sie schlecht aufstellst, klingen sie mieserabel. Die logische Folge: Nur nach der optimalen Aufstellung lohnt sich die Investition in ein besseres Mikrofon. Denn bei schlechter Aufstellung wirst du den Unterschied zwischen billig und teuer nicht hören oder er wird einfach nicht ins Gewicht fallen.

Und ab hier schwimmen wir langsam in das Becken der Homöopathie. Jetzt kann man seinen Blick wenden auf den Mikrofon-Preamp, Effektgeräte und Wandler und so fort. Ja: da gibt es Unterschiede. Nein: sie sind nicht von Bedeutung. Der gesamte Teil der Pyramide oberhalb des Mikrofons beeinflusst die Wirkung deines Songs um weniger als zwei Prozent.

Diese Zahl von zwei Prozent habe ich genauestens berechnet und sie signalisiert: Im Großen und Ganzen spielt das alles gar keine Rolle.

Das stimmt allerdings nicht ganz. Es gibt zwar zahlreiche Beweise meiner These in Form von Welthits, die mit dem Äquivalent einer Kaugummikugel aufgenommen wurden. Trotzdem sind natürlich auch zwei Prozent ein Teil des Songs, auch wenn 99 Prozent der Hörer den Unterschied nicht hören werden. Viele von ihnen werden es unterbewusst oder unbewusst fühlen. Und natürlich wird das eine Prozent der Audiophilen sich bei dir bedanken.

Ich glaube, es gibt in Klang und Musik viele Elemente, die wir (noch) nicht messen können. Das geht weit hinaus über Frequenzgänge und Phasen, es sind subtile Dinge, für die wir noch keine Worte haben und die wir vielleicht auch nie erforschen werden. Einige davon können wir wahrscheinlich längst fühlen, jedoch nicht beschreiben. Garantiert sind einige dabei, die wir nicht mit den Ohren wahrnehmen. Aber bei Musik geht es schließlich um Gefühle.

Und ich glaube, diese Bausteine entscheiden über die Lebensdauer unserer Aufnahmen und darüber, wie gerne man sie hört. CD oder Schallplatte, digital oder analog, Software oder Hardware: solche unfruchtbaren Diskussionen sind Ausdruck dieser unerklärlichen Bausteine. Bausteine, die wichtig sind, jedoch auch (noch) außerhalb unserer Reichweite.

Deswegen brauchst du dir um diese zwei Prozent erstmal keine Sorgen zu machen. Das tun genügend andere. Profis, die den ganzen Tag im Studio arbeiten. Und sie alle werden dir sagen: »Mach dir keinen Kopp. Solange du keinen guten Song schreibst, wird es nicht gut klingen!«

Ist das nicht wundervoll? Damit deine Musik besser klingt, musst du im Wesentlichen nur bessere Songs schreiben. Das kostet keinen Cent, keine fortgeschrittene Spieltechnik und vor allem keine kostspielige Gerätschaft. Gute Musik erfordert jedoch Kreativität, Vorstellungskraft und Selbstkritik.

Das kann jeder leisten.


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